Spielmechaniken – Push Your Luck

Inhalt

 

Hand Management, Storytelling, Events, Deduction, Pattern Building … Fast 200 verschiedene Spielmechanismen listet BoardGameGeek auf und die Zahl wächst stetig – kein Wunder, wenn da selbst die bewandertsten Spielenden unter euch irgendwann den Überblick verlieren. Und wenn ihr neu im Hobby Brettspiel seid, dann ist die Flut an Begriffen erst recht verwirrend. Aber wir bringen Licht ins Dunkel und stellen euch die häufigsten und relevantesten Spielmechaniken vor. Bereits erschienen sind schon Beiträge zu Worker Placement und Flip & Write bzw. Roll & Write.

 

Die Mechanik

Nun aber zu unserem heutigen Thema: Push Your Luck. 3.813. So viele Spiele ordnet BoardGameGeek der Spielmechanik Push Your Luck zu. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch ihr, wissentlich oder unwissentlich, schon einmal ein solches Spiel gespielt habt, ist also sehr groß! Ob Kinder- oder Kenner-, Familien- oder Funspiel – Push Your Luck-Elemente kommen in fast jeder Kategorie vor. Also was genau bedeutet Push Your Luck, seltener auch Press Your Luck genannt? Das Kernelement ist das Wort „luck“, also Glück, das bei beiden Varianten erhalten bleibt. Der Glücksaspekt ist auch der Grund, weshalb dieser Mechanismus nur sehr sehr selten bei sehr komplexen Eurogames vorkommt, denn diese minimieren bzw. eliminieren Glücksaspekte weitgehend. Bei Push your Luck-Spielen geht es aber nicht darum, dass ihr einfach nur pures Glück haben müsst, um zu gewinnen. Stattdessen fordert ihr aktiv euer Glück heraus (hier kommt „push“ bzw. „press“ ins Spiel) und entscheidet selbst, wie weit ihr damit gehen möchtet und wann ihr lieber aufhören wollt. Das erzeugt sehr viel Spannung am Spieltisch. Mit jedem Zug müsst ihr abwägen, ob ihr mehr zu gewinnen oder mehr zu verlieren habt und wie eure Chancen stehen. Besonders knifflig ist diese Entscheidung bei Spielen, bei denen es um „alles oder nichts“ geht. Meist gilt: Je höher der Einsatz, desto höher der potentielle Gewinn, aber desto höher auch die Chance, leer auszugehen. Ihr kennt das System „nur eine weitere Frage beantworten, um den Gewinn zu verdoppeln … oder alles zu verlieren“ sicher aus Spielshows im Fernsehen oder im Radio.

 

Push your Luck in Kartenspielen

Aber wie sieht das dann praktisch in analogen Spielen aus? Ein klassisches Push Your Luck-Spiel ist zum Beispiel das beliebte Familienspiel Port Royal, zu dem inzwischen eine Big Box erschienen ist. Karte um Karte steht ihr vor der Wahl: wollt ihr es riskieren, noch eine Karte aufzudecken oder doch lieber aufhören, nachzuziehen? Im Nachziehstapel können sich verschiedene Kartenarten verstecken, entscheidend für die Push Your Luck-Mechanik sind dabei aber die Schiffe. Deckt ihr ein Schiff mit derselben Farbe auf wie eines, das bereits in euerer Hafenauslage liegt, habt ihr zu viel riskiert und könnt in dieser Runde so gut wie nichts tun (außer natürlich ihr habt genügend Säbel und könnt das Schiff abwehren). Habt ihr rechtzeitig aufgehört zu ziehen, könnt ihr euch in der nächsten Phase hilfreiche Karten nehmen, allerdings gilt hier: je mehr verschiedenfarbige Schiffe ihr ausliegen habt, desto mehr Karten bekommt ihr. Ihr müsst also abwägen, wie viele Karten ihr aufdecken wollt und wann das Risiko zu hoch wird. Und wenn ihr das selbst nicht einschätzen könnt, dann müsst ihr euch eben doch auf euer Glück verlassen! :)

Raccoon Robbers Spielsituation

Interaktiv wird der Push Your Luck-Mechanismus beim Familienspiel Raccoon Robbers. Hier dürft ihr jede Runde beliebig viele Handkarten ausspielen, um eure Waschbären an 3D-Häusern hochklettern zu lassen. Je höher ihr klettert, desto waghalsiger könnt ihr in der nächsten Runde in den Hof hinabspringen – und desto weiter könnt ihr euren dort wartenden Waschbär-Boss vorwärtsbewegen. Der Waschbär-Boss, der zuerst die goldene Mülltonne erreicht, gewinnt. Der Haken? So lange ihr an einem Haus hochklettert, können eure Mitspielenden euch runterschubsen und damit euren Vorsprung verringern, denn klettert ein Waschbär auf ein besetztes Feld, wird der dort ansässige Waschbär ein Feld nach unten bewegt. Als wäre das nicht genug, gibt es auch noch Schubskarten, mit denen gegnerische Waschbären abwärts befördert werden können. Bei drei Häusern und bis zu vier Spielenden gibt es also einiges zu beachten, bei der Entscheidung, ob ihr lieber springen und die erkletterten Punkte mitnehmen oder höher hinaufklettern und euer Glück (und eure Mitspielenden) herausfordern wollt.

 

Eine Mechanik, viele Optionen

Natürlich kann ein Spiel auch mehr als eine Mechanik nutzen. Das zeigt zum Beispiel Living Forest, das neben Push Your Luck-Elementen auch auf Deckbau setzt und zum Kennerspiel des Jahres 2022 gekürt wurde. Zu Beginn jeder Runde deckt hier jede*r für sich Tierkarten auf. Das Deck, von dem ihr diese zieht, könnt ihr im Laufe des Spiels verbessern. Um den Wald zu retten, arbeiten die Tiere in Living Forest zusammen. Und auch hier gilt: je mehr ihr aufdeckt, desto mehr Möglichkeiten habt ihr. Aber einige Tiere in eurem Deck sind Einzelgänger. Habt ihr irgendwann drei Einzelgänger vor euch liegen, müsst ihr aufhören, zu ziehen und habt in dieser Runde eine Aktion weniger zur Verfügung. Hier kommt also der Push Your Luck-Mechanismus ins Spiel – deckt ihr noch mehr Tiere auf, wenn ihr bereits zwei Einzelgänger vor euch ausliegen habt, um mehr Optionen zu haben, oder geht ihr lieber auf Nummer sicher und nutzt zwei Aktionen?

Living Forest Spielszene

Ähnlich ist es auch bei dem Kennerspiel The Hunger von Richard Garfield. Auch hier wird die Push Your Luck-Mechanik mit Deckbau verbunden. Zu Beginn habt ihr alle die gleichen Karten. Im Laufe des Spiels könnt ihr jedoch weitere Karten bekommen, die euch dauerhafte Vorteile oder Menschen ins Deck bringen. Als Vampire sind Menschen natürlich ein gefundenes Fressen. Durch sie könnt ihr Jagdziele erfüllen und Siegpunkte erhalten. Das bringt aber auch Nachteile mit sich: je mehr Menschen ihr in euer Deck aufnehmt, desto weniger Kontrolle habt ihr darüber, welche Karten ihr in der nächsten Runde zieht (einmal verspeiste Menschen bringen euch nämlich nicht mehr besonders viel außer vielleicht Bauchschmerzen) und desto langsamer kommt ihr voran, da euch wichtige Geschwindigkeitspunkte fehlen. Hier kommt noch ein dritter Mechanismus dazu: ein Wettrennen. Auch BoardGameGeek nennt bei vielen Spielen, so auch bei The Hunger, mehrere Mechanismen. Es gibt also nicht nur viele verschiedene Mechaniken, sondern diese lassen sich auch mehr oder weniger beliebig miteinander kombinieren.

 

Push your Luck in Würfelspielen

Aber das Push Your Luck-Element ist nicht nur bei Spielen mit Karten zu finden. Auch Würfelspiele wie das Funspiel Zombie Würfel nutzen das Prinzip. (Was ein Spiel zu einem Würfelspiel macht, könnt ihr in unserem Blogbeitrag zu Würfelspielen nachlesen.) Die Würfel repräsentieren hier eure menschlichen Opfer. Ihr würfelt zunächst mit drei Würfeln. Würfelt ihr ein Gehirn, habt ihr das Gehirn gefuttert, bei einer Schrotflinte wehrt sich euer Opfer, bei Fußstapfen entkommt es. Gehirne und Schrotflinten legt ihr beiseite, mit den Fußstapfen-Würfeln könnt ihr weiterwürfeln, die Zahl der Würfel wird dabei wieder auf drei aufgestockt. Aber natürlich gibt es auch hier einen Haken: habt ihr drei Schrotflinten erwürfelt, ist euer Zug vorbei und ihr verliert die gewürfelten Gehirne. Hört ihr vorher freiwillig auf, erhaltet ihr für die Gehirne Punkte. Ihr merkt – egal, ob Karten oder Würfel – bei einem Push Your Luck-Spiel müsst ihr immer entscheiden, wie lang ihr weitermachen wollt und wann es vielleicht doch besser ist, aufzuhören.

Doch nicht nur Familien-, Kenner- und Funspiele nutzen Push Your Luck-Mechanismen, sondern auch Kinderspiele wie Dali the Fox. Hier spielt ihr als Fuchs, der versucht, Eier aus dem Hühnerstall zu klauen, um sie zu bemalen. Wie bei Zombie Würfel, hängt euer Glück auch hier von Würfeln ab. Im Hühnerstall sind sechs verschiedene Farben von Eiern zu finden. Wenn ihr am Zug seid, werft ihr einen Bauern- und zwei Eierwürfel. Der Bauerwürfel blockiert für diesen Zug eine Eierfarbe, da Dali der Fuchs ihm natürlich keine Eier unter der Nase wegklauen kann. Je nach Würfelergebnis wählt ihr nun eine Eierfarbe aus, die ihr klauen möchtet, und legt das entsprechende Ei im Hühnerhof bereit. Dann kommt die Push Your Luck-Mechanik ins Spiel: wollt ihr weiterwürfeln oder lieber aufhören und die im Hof liegenden Eier einsammeln? Wenn ihr euch dafür entscheidet, weiterzuwürfeln, werft ihr erneut alle drei Würfel. Nun könnt ihr neben der Farbe des Bauerwürfels auch kein Ei einer Farbe wählen, die bereits ausliegt. So kann es passieren, dass ihr keine Farbe wählen könnt und alle Eier zurück in den Vorrat gelegt werden müssen.

 

Vielfältiges Spielvergnügen

Ob gruselige Zombies, kletternde Waschbären, säbelschwingende Piraten, eierstehlende Füchse, blutrünstige Vampire oder brennende Wälder – wie ihr sehen könnt, lässt sich die Push Your Luck-Mechanik mit unzähligen Themen und häufig auch weiteren Mechaniken kombinieren. Push Your Luck-Elemente sind in den unterschiedlichsten Spielen zu finden, vom Kinder- bis zum Kennerspiel und vom Karten- bis zum Würfelspiel. Dadurch wird Push Your Luck zu einem der variabelsten und häufigsten Mechanismen überhaupt und auch ihr seid diesem Mechanismus mit Sicherheit schon begegnet – nämlich immer dann, wenn ihr euch fragt: soll ich es noch einmal riskieren oder ist dann womöglich doch mein ganzer Zug futsch? Natürlich konnten wir euch in diesem Beitrag nur eine kleine Auswahl an Push Your Luck-Spielen vorstellen, aber bestimmt fallen euch noch weitere Beispiele ein. Ihr seid schon auf dem Sprung zu eurem Spieleregal und wollt direkt loslegen, weil euch das an ein Spiel erinnert hat, das ihr lange nicht gespielt habt oder endlich mal ausprobieren wollt? Na dann los – und viel Spaß beim Spielen!

 

Ihr habt Fragen, Anmerkungen oder Anregungen? Oder ihr habt Vorschläge, welche Mechanik wir uns in Zukunft unbedingt mal näher anschauen sollten? Wir freuen uns auf eure Kommentare zum aktuellen Blogbeitrag im Forum oder eure E-Mail an blog@pegasus.de.