Spielmechaniken – Würfelspiele

In dieser Reihe stellen wir euch eigentlich einige der wichtigsten Spielmechaniken vor, über die ihr vermutlich immer mal wieder stolpert, wenn ihr euch für Brettspiele interessiert, unter denen ihr euch aber vielleicht noch gar nicht so viel vorstellen könnt. Bisher vorgestellt haben wir euch schon Worker Placement und Flip-/Roll & Write. Jetzt denkt ihr euch vielleicht „Naja, Würfelspiel ist ja eigentlich gar keine Mechanik und Würfelspiele sind halt Würfelspiele“. Und ja, irgendwie habt ihr auch Recht – „Würfelspiele“ ist eigentlich eher ein Spielgenre. Aber hinter diesem Genre verbergen sich so viele Facetten und Möglichkeiten, dass wir unbedingt einen Beitrag dazu machen wollten. Also hoffen wir, dass ihr uns bei unserer Reise durch die Welt der Würfelspiele begleitet. Und wer weiß, vielleicht treffen wir unterwegs ja auch noch auf die ein oder andere Mechanik. ;)

Aber wo sollen wir eigentlich anfangen? Würfel sind in gefühlt „fast“ jedem Spiel mit dabei, auch wenn es eine Zeit gab, in der es unter Eurogames fast verpönt war, Würfel einzusetzen. (Eurogames? Wenn ihr auch zu diesem Begriff einen eigenen Beitrag wollt, dann meldet euch gerne bei uns!) Würfel und Spiele – ein kontrovers diskutiertes Thema, denn Würfel waren in früheren Spielen wie z.B. Mensch ärger dich nicht oder auch noch Siedler von Catan ein klassischer Randomizer, also ein Element, das Zufall ins Spiel gebracht hat. Also ein Element, das Leuten, die gerne Strategiespiele spielen, ein Dorn im Auge war, denn ein Würfelwurf kann die gesamte Planung und eine noch so ausgeklügelte Strategie durcheinanderwerfen. Also sind Würfel nur etwas für Familien- oder Kinderspiele? Ganz klar nein, denn  Würfel können viel mehr sein als Glückselement! So nennt BoardGameGeek bei der “Dice Rolling” Mechanik neben Würfeln als Zufallselement noch folgende Einsatzmöglichkeiten (frei übersetzt): „Würfel können auch als Zähler genutzt werden; startet bei 6 und dreht den Würfel am Ende der Runde oder am Ende des Spielzugs auf 5. […] In Wargames werden Würfel in Verbindung mit Tabellen verwendet, insbesondere einer ‚Kampfergebnistabelle‘, die ein Ergebnis aus den Stärken beider Parteien und einem Würfelwurf berechnet.“ Hmm, hört sich sinnvoll an finden wir, aber fehlt da nicht was? Wir finden schon!

Also was sind Würfelspiele? Ist jedes Spiel, das Würfel beinhaltet schlussendlich auch ein Würfelspiel? Oder sind Würfelspiele nur solche Titel, die das Wort ‚Würfel‘ auch irgendwie im Namen tragen wie z.B. Istanbul – Das Würfelspiel? Wir würden sagen, es ist letztlich eine Mischung aus beidem, denn z.B. ist bei unserem mystischen Überlebens- und Erkundungsspiel Tainted Grail auch ein Würfel mit dabei, das Expertenspiel ist aber ganz sicher kein Würfelspiel. Dagegen trägt Sagrada nichts dergleichen im Titel, wir würden es aber definitiv auch als Würfelspiel bezeichnen, wenn auch ein sehr spezielles. Aber fangen wir ganz langsam an: In vielen Spielen dienen Würfel tatsächlich als Zufallsbringer. Je niedriger die Komplexität des Spiels desto größer ist meistens der Glücksfaktor. So zum Beispiel bei Timmy im Zoo. Das Kinderspiel um den kleinen Timmy und die süßen Zootiere basiert auf einem Würfelmechanismus, der Runde für Runde vorgibt, welches Tier gefüttert werden möchte. Also einfach würfeln und Futter in das offene Maul der Zootiere werfen – das ist für Kids ab drei Jahren einfach zu erlernen und macht einfach Spaß. Ein ähnliches Konzept lässt sich auch bei Laufspielen einsetzen, z.B. bei Hexenhochhaus. Auch hier würfeln die Kids und ziehen ihre Spielfiguren entlang eines Weges hoch zum Hexenhaus. Wird ein Besensymbol gewürfelt geht´s mit etwas Glück schneller voran, denn liegt gerade die magnetische Seite der Spielfigur oben, nimmt euch der Besen mit zum nächsten Besenfeld. Ganz ähnlich, wenn auch etwas komplexer für Familien mit Kindern ab etwa acht Jahren funktioniert das auch bei Talisman – Legendäre Abenteuer. Hier müsst ihr außerdem taktisch entscheiden, ob bzw. wie viele Schritte ihr gehen wollt, denn auf eurem Weg durch die Welt von Talisman warten allerhand Unholde auf euch, die ihr vielleicht gerade lieber nicht treffen möchtet.

Bei Kenner- und Expertenspielen gibt es auch Würfel als Zufallsfaktor. Je komplexer das Spiel wird, desto mehr Optionen gibt es aber in der Regel, um die Würfelproben bzw. Würfelergebnisse zu modifizieren bzw. zu verbessern. Außerdem sind die einzelnen Würfelergebnisse in der Regel nicht spielentscheidend. So zum Beispiel bei Robinson Crusoe. Hier legen Wetterwürfel in jeder Runde fest, mit welchen Wetterbedingungen sich die Spielenden auseinandersetzen müssen, während Aktionswürfel einerseits Aktionen modifizieren bzw. Wunden hinzufügen oder Abenteuerkarten aufdecken. Ähnlich ist es auch bei unserem ebenfalls kooperativen Abenteuerspiel Adventure Island, bei dem ihr das Ergebnis einer Aktion durch eine Würfelprobe ermittelt. Das funktioniert ähnlich wie bei Rollenspielen und den von BGG erwähnten Wargames. Das Konzept der Würfelprobe für Kämpfe findet sich entsprechend auch oft bei Spielen, die ein Fantasysetting haben bzw. thematisch oder mechanisch an Rollenspiele angelehnt sind. So würfelt ihr z.B. bei Doodle Dungeon die Kämpfe aus genau wie bei Die Zwerge.

Selbst bei Istanbul, dem Kennerspiel des Jahres 2014, gibt es Würfel. Diese dienen hier par excellence als Zufallsfaktor, denn mit ihnen würfelt ihr aus, an welchen Orten Gouverneur und Schmuggler sich aufhalten und welchen Ertrag ihr in der Teestube erhaltet. Lasst uns bei Istanbul bleiben, denn das Spiel ist ein super Beispiel dafür, dass Nicht-Würfelspiele sich manchmal bestens dafür eignen, zu Würfelspielen zu werden. Etwa drei Jahre nach dem Erfolg von Istanbul erschien bei uns das Istanbul Würfelspiel, das zum einen, wie der Name schon sagt, auf einem Würfelmechanismus basiert und zum anderen bzw. deswegen hervorragend für Familien geeignet ist. Thema und Ziel bleiben dabei die gleichen wie beim großen Bruder: Bewegt euch über den Basar von Istanbul und sammelt die kostbaren Rubine. Dazu werft ihr in eurem Zug die Würfel und führt zwei Aktionen aus, z.B. könnt ihr euch ein braunes Warenplättchen nehmen, wenn ihr drei unterschiedlich farbige Würfelseiten dafür einsetzt. Hier sind die Würfel also nicht nur Teilaspekt einer größeren Mechanik, sondern Kernelement des Spiels. Istanbul – Das Würfelspiel hat das übrigens so gut umgesetzt, dass es 2018 zum Spiel der Spiele, also praktisch zum österreichischen Spiel des Jahres gekürt wurde.

Selbstverständlich gibt es aber auch viele weitere Spiele, die auf einem ähnlichen Würfelmechanismus basieren – also würfeln und das Ergebnis direkt in Aktionen umsetzen. Da wären zum Beispiel Langland Yatzy, ein Spiel aus der Langland-Reihe, die Spieleklassiker ohne Zahlen neu adaptiert, sodass auch Kinder schon mitspielen können. Oder unser frisch erschienenes Familienspiel Poo Poo Pets. Hier würfelt ihr alle gleichzeitig. Sobald ihr die Würfelkombination eines der ausliegenden Tiere erwürfelt habt, haut ihr auf das Quietsche-Häufchen in der Mitte und das Tier zieht zu euch um. Aber ohje, es hat ein Häufchen hinterlassen und wird auf die Poop-Seite gedreht. Wenn jetzt nochmal jemand die Kombination eures neuen Mitbewohners würfelt, kommt das Tier aus dem Spiel. Wenn ihr irgendwann keine Haustiere mehr vor euch liegen habt, scheidet ihr aus. Für alle, die es etwas „gruseliger“ mögen, ist vielleicht Zombie Würfel etwas. Das Konzept ist einfach: Würfeln und Gehirne mampfen. Blöd nur, dass die sich auch manchmal wehren. Und wenn ihr drei Schrotflintensymbole vor euch liegen habt, dann seid ihr es, die den Tag nicht überleben – schon wieder! Bei Fußstapfen könnt ihr euch dazu entscheiden, diese Würfel neu zu würfeln. Aber das kann besser oder schlechter laufen, also alles riskieren oder doch eher die Gehirne nehmen, die ihr sicher habt?

Spiele wie Zombie Würfel mit diesem speziellen Dilemmaeffekt kennt ihr vielleicht. Weitermachen mit der Chance auf noch mehr Beute und alles riskieren oder aufhören und sich mit dem begnügen, was ihr schon sicher habt. Diese Mechanik nennt man auch Push your luck und auch wenn sie bei vielen verschiedenen Spielegenres zum Einsatz kommen kann, eignet sie sich auch perfekt für Würfelspiele. Auch unser neues Kinderspiel Dali the Fox hat Push your luck-Elemente, was für ein Kinderspiel ganz schön außergewöhnlich und gleichzeitig total aufregend ist. Als Dali der Fuchs schleicht ihr euch in den benachbarten Hühnerstall und erwürfelt dann, die Eier welcher Farbe ihr stibitzen dürft. Danach könnt ihr euch entscheiden, euch mit eurer Beute davon zu stehlen oder mehr zu riskieren, denn wäre es nicht wunderbar mehrere Eier auf einen Schlag zu ergaunern … Also dürft ihr nochmal würfeln. Habt ihr jetzt Glück und würfelt mindestens eine Farbe, die ihr in diesem Zug noch nicht hattet – auch Mischfarben sind möglich! – dann ist alles gut und ihr habt jetzt wieder die Option, die Beine bzw. die Pfoten in die Hand zu nehmen und mit den Eiern abzuhauen. Wenn ihr jetzt aber nur Farben würfelt, die ihr schon hattet, dann erwischt euch der Bauer und alles ist verloren. Bei Dali the Fox wird das Würfeln übrigens nicht nur durch das Spielprinzip in Szene gesetzt, sondern auch durch den Würfelturm, der im Schornstein des 3D-Spielaufbaus integriert ist.

Es gibt außerdem eine ganze Reihe Spiele, bei denen Würfel zwar einen gewissen Zufallsfaktor reinbringen, ihr diesen aber schon relativ früh kennt und dann damit planen müsst. Zwei Beispiele dafür sind Roll Player und das vorhin schon erwähnte Sagrada. Die beiden Spiele könnten thematisch nicht unterschiedlicher sein – bei Roll Player erstellt ihr euren eigenen Fantasyhelden, bei Sagrada arbeitet ihr daran, Buntglasfenster für die berühmte Sagrada Familia zu kreieren – aber beide funktionieren im Grundprinzip ähnlich: Zu Beginn einer Runde wirft einer von euch die Würfel, die den Pool für diese Runde bilden, aus dem sich alle bedienen. Dann dürft ihr reihum Würfel auswählen und diese auf eurem Tableau einsetzen. Bei Sagrada müsst ihr dabei bestimmte Vorgaben eures Musters und Auftragskarten bestmöglich erfüllen, bei Roll Player spielen Klasse, Gesinnung und Vorgeschichte eurer Charaktere eine Rolle. Auch wenn bei beiden Spielen natürlich noch weitere Elemente eine Rolle spielen, steht doch der Würfelauswahl und -platzierungsmechanismus im Vordergrund. Und wenn ihr denkt, ihr beherrscht diesen irgendwann, dann warten die Roll Player-Erweiterungen bzw. Erweiterungen für Sagrada nur darauf, von euch ausprobiert zu werden. ;)

Übrigens, wenn ihr gerne Legespiele spielt und die Kombination mit Würfeln spannend findet, dann könnte auch The Magnificent etwas für euch sein. Hier schlagt ihr mit eurem Zirkus euer Lager auf und lockt mit Akrobaten Zuschauende an. Und das Ganze basiert – ihr erratet es sicher – auf einem Würfelmechanismus. Auch hier würfelt ihr zu Rundenbeginn wieder alle Würfel und nehmt euch dann nach und nach Würfel, die ihr für verschiedene Aktionen einsetzen könnt. Die Würfel sind hier jedoch anders als bei Roll Player und Sagrada keine Platzhalter auf einem Tableau, sondern stehen für die Energie, die ihr für diesen Zug für eure Aktion habt, und gleichzeitig für deren Kosten. Und obwohl ihr auch hier ein eigenes Tableau habt, das ihr geschickt füllen müsst, nutzt ihr bei The Magnificent extra Plättchen dafür und gebt die Würfel am Ende der Runde wieder ab. Sie erfüllen hier also eine andere Funktion, die man vielleicht als Vermittler oder Wandler bezeichnen könnte. (Euch fällt eine bessere Bezeichnung ein, dann gerne her damit! :))

Als Vermittler bzw. Wandler könnte man auch die Würfel bei My Farm Shop bezeichnen, denn ihr Würfelergebnis kann in Hofkarten und/oder Feldaktionen umgewandelt werden. Das Besondere an dem Familienspiel von Rüdiger Dorn ist, dass ihr alle etwas von der Würfelwahl des aktiven Spielenden habt, denn während er bzw. sie sich mit einem Würfel eine Hofkarte auswählen darf, dürft ihr alle die Feldaktion nutzen, die der Zahl der Summe der verbliebenen beiden Würfel entspricht. Klingt mathematisch? Ist es eigentlich gar nicht! Probiert es doch selbst mal aus: Ihr findet My Farm Shop in unserer digitalen Spieleausleihe. Dort könnt ihr es mit einem Klick selbst kostenlos und jederzeit digital auf Tabletopia spielen. Aber bevor ihr nun Eier einsammeln, Kühe melken und eure Bio-Waren in eurem eigenen kleinen Hofladen verkauft würden wir uns freuen, wenn ihr mit uns noch ein kleines bisschen weiter durch die Welt der Würfelspiele reist.

Kommen wir abschließend noch zu zwei ganz besonderen Würfelspielen, die nicht so richtig in eine bestimmte Kategorie passen – Cubitos und Dice Flick. Cubitos nimmt das Würfelthema sehr ernst, denn hier ist fast alles Würfelförmig, naja fast zumindest. ;) Thematisch seid ihr Teilnehmende am jährlichen Cube Cup und daher gibt es für euch nur ein Ziel, nämlich den Sieg. Und diesen sollen euch eure Würfel, pardon, euer Support-Team bringen. Also, wählt eure Teammitglieder sorgfältig aus und verstärkt euer Team sinnvoll. Schlussendlich kann aber nur gewinnen, wer neben Taktieren auch das nötige Bisschen Glück beim Würfeln hat. Wenn ihr jetzt denkt, dass Cubitos schon ein wirklich außergewöhnliches Würfelspiel ist, dann kennt ihr Dice Flick noch nicht, denn hier schnipst ihr die Würfel. Dabei müsst ihr nicht nur gut zielen, um euren Würfel auf die gewinnbringendsten Felder zu schnipsen, sondern auch ein bisschen taktieren, denn es lohnt sich, zu Beginn der Runde zu überlegen, wohin ihr die Würfel schnipsen wollt, um möglichst wertvolle Kombinationen zu erhalten. Mit dabei ist aber natürlich – Dice Flick ist ein Familienspiel – auch eine gewisse Portion Glück, denn Punkte erhaltet ihr abhängig davon, welche Zahl ihr in die Vertiefung des Spielfelds geschnipst habt. Also, an die Würfel, fertig, los!

Wie ihr seht gibt es eine Menge unterschiedlichster Würfelspiele und unser Beitrag war nur ein kleiner Ausschnitt aus der würfeligen Welt. Eigentlich gehören hier auch noch Roll & Write-Spiele dazu, die wir euch aber schon in einem eigenen Beitrag vorgestellt haben, und Titel wie Roll for the Galaxy, Bücherwurm – Das Würfelspiel und so weiter. Aber für heute wollen wir hier Schluss machen, denn jetzt wird gespielt – und wir wünschen euch viel Spaß dabei! :)

 

Ihr habt Fragen, Anmerkungen oder Anregungen? Oder ihr habt Vorschläge, welche Mechanik wir uns in Zukunft unbedingt mal näher anschauen sollten? Wir freuen uns auf eure Kommentare zum aktuellen Blogbeitrag im Forum oder eure E-Mail an blog@pegasus.de.