Im Interview – Illustrator John Kovalic

Die meisten von euch kennen sicherlich unser total ernstes Kartenspiel Munchkin. Wer das Spiel selbst schon mal gespielt hat weiß, dass der brilliante Humor darin nicht nur von den satirischen Kartentexten, sondern mindestens zum gleichen Teil von den großartigen Illustrationen von John Kovalic kommt. Munchkin, das in der Originalversion bei Steve Jackson Games erscheint, begleitet uns schon seit knapp 20 Jahren, denn so lange erscheint bei uns schon die deutsche Version. Es ist daher keine Überraschung, dass wir für die Illustration unseres neuen Funspiels, in dem ihr euren eigenen Dungeon ausstattet und dann gegen einen fiesen Helden verteidigt, bei John angeklopft haben. Außerdem erscheinen bei uns seit einigen Wochen seine humoristischen Dork Tower Strips, die von fünf Gaming-Geeks und ihren Alltagsproblemen erzählen, von denen euch ganz sicher einige sehr bekannt vorkommen. ;)

Wir freuen uns daher sehr, dass John uns heute einige Fragen zu seiner Arbeit als Illustrator, zu Munchkin, seinen satirischen Comicstrips Dork Tower und natürlich Doodle Dungeon beantwortet.* Los geht´s:

John, fangen wir ganz vorne an: Wie bist du zum Zeichnen gekommen und wie lange arbeitest du schon als Illustrator?

„Ich zeichne schon solange ich mich erinnern kann. Meine Mutter hat Comicstrips für eine Kinderzeitschrift gemacht als ich selbst ein Kind war, daher hatte ich immer mit Zeichnungen zu tun. Später habe ich dann für die Schüler- bzw. Unizeitschrift und auch für lokale und nationale Zeitschriften selbst Comics gezeichnet. Ich habe also einfach schon immer gezeichnet. Ich denke auch, jeder kann grundsätzlich zeichnen, aber die meisten hören einfach irgendwann auf damit.“

Kannst du uns ein bisschen mehr darüber erzählen, wie du deinen ganz eigenen Zeichenstil gefunden hast?

„Ohje, das hat Jahre gedauert, aber die Peanuts haben dabei eine wichtige Rolle gespielt … Allerdings war ich nie gut genug, um tatsächlich den Zeichenstil von jemand anderem zu kopieren. Damals habe ich aber noch nicht realisiert, dass das eigentlich eine gute Sache ist durch die ich letztlich einen eigenen Stil finden konnte. Aber der entwickelt sich nach wie vor: wenn ihr euch meine Arbeit von vor 20 Jahren anschaut, als Munchkin herauskam, und die Illustrationen von heute, dann seht ihr, dass sich mein Stil gewaltig verändert hat.“

Was magst du an deiner Arbeit am liebsten?

„Ich liebe die Freiheit, etwas zu gestalten, das Spaß bringt und den Menschen hilft, ihre Sorgen vielleicht für einen kurzen Moment zu vergessen. Außerdem liebe ich es, mir eine gute Story einfallen zu lassen für die Dork Tower Comics oder einen guten Scherz einzubauen oder aber die urkomische übertriebene Albernheit von Munchkin. Ich empfinde es als Privileg, das zu tun, was ich eben tue.“

Du hast es schon ein bisschen angesprochen, aber welche Rolle spielt Humor für dich und deine Arbeit?

„Eine riesige Rolle! Humor ist alles! An einem Tisch zu sitzen mit Freunden und darüber zu lachen, wie ein wohlüberlegter Plan in einer Runde Dungeons & Dragons in die Hose geht oder wenn ein Kamel bei Camel Upganz unerwartet den letzten Platz belegt, das sind doch die besten Momente! Und sogar in unseren Cthulhu-Partien gibt es in meiner Gruppe immer wieder etwas zu Lachen. Ich bin kein besonders schwieriger Gegner in Spielen, bis heute habe ich nur drei Partien Munchkin gewonnen, aber Spielen bringt eine unglaubliche Freude mit sich! :)"

Was machst du, wenn du noch keine clevere Idee für die nächsten Kartenillustration hast? Hast du einen Trick, um deine Kreativität anzukurbeln?

„Ich fange an zu skizzieren. Skizzen, Skizzen, Skizzen, das ist es! Aber glücklicherweise helfen mir bei Munchkin die vielen Notizen und Hinweise, die ich von Steve Jackson Games bekomme sehr. Nach so vielen Jahren der Zusammenarbeit wissen Steve und Andrew Hackard, was sie von mir erwarten können und ich weiß schon fast instinktiv, nach was sie suchen. Aber vor etwa zwei Monaten ist Andrew gestorben, das war niederschmetternd. Er war brilliant – ein Genie und ein guter Freund. Und es hat unglaublich viel Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten. Es war unglaublich schwierig, sein letztes Projekt zu illustrieren mit dem Wissen, dass ich nie wieder an einer Karte arbeiten würde, die er kreiert hat, oder auch nur zusammen mit ihm auf einer Convention lachen würde.“

Auch wir waren schockiert und tief betroffen als wir von seinem Tod gehört haben. Die zweite Erweiterung für Munchkin Warhammer, Kulte & Kolben, die maßgeblich von ihm entwickelt wurde, wird diesen Herbst erst auf Deutsch erscheinen. Wir sind tief beeindruckt von seiner Kreativität und sehr dankbar für all die tolle Arbeit, die er uns hinterlassen hat!

Hast du ein Projekt, auf das du ganz besonders stolz bist?

„Ich bin sehr stolz auf einige politische und sehr persönliche Dork Tower Comics aus 2020 und 2021. Was Munchkin angeht denke ich, dass ich besonders stolz auf Munchkin Shakespeare bin, wobei ich auch die Warhammer Teile liebe.“

Sprechen wir noch ein bisschen über Dork Tower: Seit Kurzem erscheinen die Dork Tower Strips auf Deutsch bei uns. Was hat dich dazu inspiriert, mit Dork Tower zu starten?

„Für die alte Zeitschrift Shadis habe ich einzelne Comics eingereicht und dann, während einer Gen Con in den 1990er-Jahren, hat mich der Herausgeber (D.J. Trindle) darum gebeten, eine Idee für einen ganzen Strip zu entwickeln. Als ich dann vom Stand auf den Gang getreten war, stand die Grundidee schon!“

In Dork Tower behandelst du auch immer wieder Themen rund ums Rollenspiel. Dass du selbst auch Cthulhu spielst, hast du oben ja schon verraten. Kannst du uns sagen, was für dich die Faszination am Rollenspiel ausmacht?

„Rollenspielen hat ein bisschen von allem – Storytelling, Entspannung, Freundschaft, Glücklichsein, Glück im Spiel (hoffentlich!), Lachen, Action, Aufregung und natürlich Snacks während dem Spielen! Ich finde es großartig zu sehen, wie populär Rollenspiele geworden sind und mehr und mehr Menschen sie für sich entdecken!“

In den Dork Tower Comics betrachtest du, wie du es auch schon selbst angesprochen hast, auch immer wieder gesellschaftskritische Themen auf humoristische Art und Weise. Hilft dir das Zeichnen dabei, mit solchen eher schwierigen Themen umzugehen?

„Ja! Absolut! Zu Beginn der Pandemie habe ich ganz bewusst die Entscheidung getroffen, auch solche Themen in den Comics aufzugreifen. Das hat mir auch selbst dabei geholfen, mit diesem ganzen Wahnsinn umzugehen. Das scheint auch der Community so zu gehen, denn die Dork Tower Patreons wurden mehr und einer der Strips wird sogar Teil einer Ausstellung sein, wie Covid-19 die Kunst beeinflusst hat.“

Das ist ja super spannend!

Bevor wir mit Doodle Dungeon nochmal auf deine neuesten Projekte schauen, lass uns nochmal kurz einen Blick auf Munchkin werfen. Es ist inzwischen ein Klassiker und gleichzeitig ein Spiel, das sich immer wieder neu erfindet. Wie kam es eigentlich dazu, dass du der Munchkin-Illustrator wurdest?

„Dazu kam es aufgrund einer ganzen Kette an glücklichen Zufällen: Mitte der 1990er-Jahre habe ich angefangen, für Steve Jackson Games zu arbeiten. Damals habe ich z.B. den Murphy´s Rules Comic für das Pyramid Magazin gezeichnet, aber auch einige Karten für das Sammelkartenspiel Illuminati: New World Order. Das hat natürlich nicht meinem normalen Stil entsprochen, aber eine der Zeichnungen war z.B. für das Cover der deutschen Version. Danach hat mich Steve gebeten, Chez Geek zu illustrieren, ein sehr lustiges, verrücktes, blödeliges Spiel, das viel besser zu mir gepasst hat. Etwa ein bis zwei Jahre später hat Steve Munchkin kreiert und mich wegen der Illustrationen angesprochen! Ein Spiel zu illustrieren, das von einem meiner Spielehelden entwickelt wurde, war ein unglaubliches Gefühl!"

Wie lange brauchst du ungefähr für eine Munchkin-Karte?

„Ich habe inzwischen ca. 7.000-7.5000 Karten für Munchkin gezeichnet. Wenn ihr diese Zahl durch die Lebenszeit von Munchkin teilt, dann kommt man auf etwa einen Tag pro Karte. Aber wenn ich an einem Projekt sitze, dann sind es eher so sechs bis acht Karten pro Tag. Das gibt mir genügend Zeit, um mich noch auf jede einzelne zu konzentrieren und dann noch z.B. einen Dork Tower Strip zu finalisieren.“

Gibt es etwas, das du besonders gerne zeichnest? Gruselige Monster, tödliche Waffen oder doch „normale Menschen“?

„Mein Favorit? Ganz klar, normale Menschen zeichnen, egal ob für Dork Tower, Munchkin oder andere Spiele. Es dreht sich alles um die Mimik und die Posen, es geht darum, ihr Gesicht richtig darzustellen, das ist sehr spannend! Waffen sind wohl das einfachste, das habe ich besonders durch die beiden Munchkin Warhammer-Teile, Age of Sigmar und 40.000, gelernt.“

Ein ganz besonders wichtigstes Element in deinen Zeichnungen sind die Monster. Wie schaffst du es, dass sie auch im Comicstil noch verschlagen und furchteinflößend aussehen?

„Ui, das ist eine gute Frage! Normalerweise sage ich immer eher, meine Jobbeschreibung ist ‚Ich mache, dass die Bösen niedlich aussehen‘. Also manchmal muss ich auch schauen, dass die Figuren etwas weniger süß aussehen. Aber es gibt solche und solche Beispiele. Wie macht man z.B. den Blutgott niedlich?“

Und jetzt die Frage der Fragen: Hast du eine Lieblings Munchkin-Karte? :)

„Auf jeden Fall! Die Ente des Schreckens. Sie wurde sogar zum Maskottchen eines Charity-Radrennens an dem ich jedes Jahr teilnehme. Wenn wir genügend Geld sammeln radel ich knapp 40km mit der Ente an meinem Helm herum. :)"

Eine super Aktion, das würden wir uns nur allzu gerne mal anschauen!!

Doodle Dungeon Karte

Du hast auch die Illustrationen für unser neues Funspiel Doodle Dungeon gemacht. Wie lief die Arbeit ab und, was hat dir an diesem Projekt am meisten Spaß gemacht?

„Man könnte sagen, ich habe das Projekt gebraucht! Es war der Anfang der Pandemie und ich fand es unheimlich schwierig, mich zu konzentrieren während die Welt da draußen, vor allem in den USA, verrückt gespielt hat. Das Projekt hat entsprechend auch viel länger gedauert als ursprünglich geplant. Irgendwie musste ich inmitten dieser globalen Krise erst wieder neu lernen, zu arbeiten bzw. zu zeichnen. Aber am Ende hatte es einen therapeutischen Effekt auf mich. Ich konnte auch mit Barry Slate zusammenarbeiten, einem herausragenden Koloristen! Und wieder mit Pegasus zusammenarbeiten! Das ist sowieso immer ein Bonus! :)"

Am meisten Spaß hat mir die Gestaltung der drei Monster gemacht! Sie lustig, süß, aber auch gruselig, böse aussehen zu lassen und gleichzeitig nicht allzu sehr wie Munchkin war eine Herausforderung, aber hat auch unglaublich viel Spaß gemacht!“

Hast du Doodle Dungeon eigentlich auch selbst mal gespielt? Und falls ja, was mochtest du daran am meisten?

„Ohja! Doodle Dungeon ist ein tolles verrücktes und albernes Spiel! Es ist ein tolles Spiel und die ganzen Komponenten und das Zusammenspiel der einzelnen Elemente ist extrem clever und sehr gut durchdacht! Es ist eine tolle Abwechslung und wunderbar, um dem Alltag zu entfliehen. An Spielen zu arbeiten ist immer toll, aber an Spielen zu arbeiten, die man selbst gerne spielt ist sogar noch besser! :)“

John, vielen herzlichen Dank für dieses Interview und die persönlichen Einblicke in deine Arbeit!

 

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*Das Interview wurde im Original auf Englisch geführt und für diesen Beitrag ins Deutsche übersetzt.