Im Interview – Spieleautor Richard Garfield

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Deckbau mit Wettrennen: The Hunger

Kürzlich ist mit The Hunger ein neues Kennerspiel bei uns erschienen. Der Autor ist niemand geringeres als Richard Garfield, der neben vielen weiteren tollen Spielen auch der Autor von Magic – The Gathering ist, das unseren Verlag ebenfalls lange begleitet hat (ihr wollt wissen wieso? Dann schaut doch mal in unsere Historie bzw. die Geschichte der CONspiracy). The Hunger ist sein neuestes Werk. Es vereint Deckbau mit einem Wettrennen gegen die Zeit. Als Vampire dürstet euch nach Menschenblut. Jagt ihr einen Menschen, gibt’s dafür also Punkte, aber Menschen verstopfen auch euer Deck und machen euch langsam. Schnelligkeit ist jedoch essentiell, denn sonst habt ihr keine Chance, es vor Sonnenaufgang zurück ins sichere Schloss zu schaffen oder euch zumindest – welch Demütigung – auf dem davorliegenden Friedhof in einem Grab zu verschanzen. Ihr müsst also gut überlegen, an welchem Punkt ihr euch auf den Rückweg macht. Doch ganz am anderen Ende des Spielplans, weiter hinter Schloss, Gebirge und Ebene, tief im Wald, befindet sich das magische Labyrinth mit seltenen Rosen, die euch extra viele Punkte bringen. Nehmt ihr den gefährlichen Weg auf euch und riskiert, zu Staub zu zerfallen oder widmet ihr euch lieber in sicherer Nähe zum Schluss euren persönlichen Jagdzielen?

Interview mit Richard Garfield

Um mehr über The Hunger zu erfahren und natürlich auch über seine Arbeit als Spieleautor, haben wir Richard Garfield eingeladen, uns bzw. euch einige Fragen zu beantworten. Los geht’s:*

In deinem neuesten Spiel, The Hunger, bewegen sich die Spielenden als Vampire über das Spielfeld und gehen auf die Jagd. Wie bist du auf dieses Thema gekommen?

Beim Spielen sind meine Frau Koni und ich zufällige auf eine Kombination aus zwei Begriffen gestoßen, die uns sofort zum Lachen brachte und wir dachten, das wäre doch ein toller Name für ein Spiel – Fat Dracula: Das ergab ein lustiges Bild und außerdem einen guten Sprachrhythmus. Ich hatte sofort ein Spiel vor Augen, bei dem die Spielenden nachts als Vampire losziehen, Menschen jagen und versuchen, rechtzeitig zum Sonnenaufgang zurück zu sein  aber je mehr sie jagen, desto langsamer werden sie. Am Ende haben wir uns dann für den Titel The Hunger entschieden, der auch eben diesen von mir beabsichtigten Humor transportiert.

Spielgrafik The Hunger

Hast du bei neuen Spielen in der Regel zuerst einen Mechanismus im Kopf oder ein Thema? Und wie war das bei The Hunger?

„Bei The Hunger kam die Idee, wie schon gesagt, über den Namen, also das Thema. Bei anderen Spielen steht dagegen oft die Mechanik am Anfang. Aber grundsätzlich funktioniert bei mir beides. Wenn ich über die Mechanik anfange, ein Spiel zu entwickeln, ist es mir aber besonders wichtig, das Spiel nochmal anzupacken bzw. anzupassen sobald das Thema feststeht. Das ist mir wichtig, denn so fühl sich das Thema schließlich weniger aufgesetzt an.“

Was denkst du, für wen ist The Hunger besonders geeignet?

„Auf jeden Fall für alle, die ihr Glück gerne herausfordern und Spaß daran haben, ihre Spielweise an unerwartete Chancen, aber auch Herausforderungen anzupassen. Aber auch diejenigen, die gerne Deckbuilding-Spiele spielen und sich dabei mehr Interaktion untereinander wünschen. Es gibt nur sehr wenige andere Deckbuilder, bei denen die Entscheidung der anderen so sehr beeinflusst, was man selbst ins Deck bekommt.“

Lass uns nochmal etwas genauer auf das Deckbuilder-Element schauen. Du hast ja schon andere Spiele mit dieser Mechanik entwickelt, zum Beispiel Magic: The Gathering. Was unterscheidet The Hunger von diesen?

„Die meisten Deckbuilder drehen sich darum, das stärkste Deck zu bauen. In The Hunger ist es umgekehrt: Das Startdeck ist hier vermutlich das beste Deck, das die Spielenden überhaupt haben können. Daher geht es weniger um das Aufbauen eines Decks, sondern eigentlich darum, es zu zerstören und zwar möglichst kontrolliert bzw. profitabel. Aber auch die Art, neue Karten zu bekommen ist spannend: Der First Pick ist mächtig, aber um ihn zu erhalten, muss man sich auch verwundbar machen, denn immer die Person, die weiter vom sicheren Schloss weg ist, darf beginnen.“

Gehen wir mal ganz an den Anfang zurück: Wann hast du angefangen, Spiele zu entwickeln?

„Spiele entwickele ich schon seit dem frühen Teenager-Alter. Das erste Spiel, das ich theoretisch als ‚veröffentlichbar‘ angesehen habe, war aber RoboRally, das ich in meinen frühen 20ern designt habe. Damals war das Ganze natürlich noch ein Hobby und ich habe es nicht als sinnvoll erachtet, mich darum zu bemühen, es zu veröffentlichen. Mein erstes Spiel, das dann veröffentlicht wurde, war 1993 Magic: The Gathering – entwickelt habe ich es aber schon 1991.“

Was macht dir am meisten Spaß daran, Spiele zu entwickeln? Und was ist das herausforderndste daran?

„Ich liebe es, neue ‚Spielräume‘ zu entdecken und zu entwickeln. Wenn das dann dazu führt, dass ich etwas kreiert habe, das ich mit anderen teilen möchte, dann mag ich sehr die Verbindung zu denjenigen, die das finale Spiel schließlich spielen – sie erleben den gleichen Raum, entdecken aber gleichzeitig sehr oft Dinge, mit denen ich nicht gerechnet habe.

Das schwierigste am Spieledesignen ist für mich dagegen, ein Projekt abzuschließen. Ich finde immer noch mehr Sachen, die ich ausprobieren möchte und mehr Möglichkeiten, um das Spiel zu optimieren.“

Abgesehen vom Spieleentwickeln hast du zuerst Mathematik studiert und danach auch unterrichtet. Beeinflusst dich dieser Hintergrund auch bei deiner Arbeit als Spieleautor?

„Da gibt es auf jeden Fall eine Überschneidung zwischen dem, was ich am Spieleentwickeln und dem, was ich an der Mathematik liebe, vor allem an dem Teilbereich der Mathematik auf den ich mich spezialisiert habe: Kombinatorik. Die Mathematik ist voller Puzzle, die gelöst werden wollen, und interessanten logischen Strukturen. Dennoch: Ich glaube nicht, dass Mathe für mich beim Spieleentwickeln eine so große Rolle spielt wie mein breites Interesse an vielen unterschiedlichen Dingen. Spieldesign ist wie Schreiben: Alles, was dich fasziniert, hilft beim Entwickeln.“

Spielgrafik The Hunger

Und was macht deiner Ansicht nach ein gutes Spiel aus? Hast du auch ein aktuelles Lieblingsspiel?

„Für mich hängt die Qualität eines Spiels viel zu sehr von der Zielgruppe ab, um sie losgelöst davon bewerten zu können. Ich habe mich für eine sehr lange Zeit der Herausforderung gestellt herauszufinden, was Spielende an ihren Lieblingsspielen besonders schätzen – und dabei viele von ihnen selbst lieben gelernt.

Aber ganz generell gesagt sind meine Lieblingsspiele die, die so viel Abwechslung bieten, dass sich selbst ‚Expert*innen‘ in diesem Spiel nicht ausruhen können, sondern immer wieder von neuen Situationen überrascht werden, egal wie oft und wie lange sie ein Spiel spielen. Außerdem habe ich eine besondere Schwäche für Spiele mit versteckten Informationen, bei denen man versuchen muss, eigene Infos und Wissen durch in die Irre führende Spielmanöver zu verschleiern. Ein Spiel, das ich aktuell sehr viel spiele und das beide Elemente vereint ist Warriors of Jogu.“

Wie reagieren Menschen darauf, wenn du ihnen erzählst, dass du Spieleentwickler bist?

„In den 90ern hätten sie angenommen, dass ich digitale Spiele entwickle und gefragt für welche Plattform. :) Heute ist es dagegen genauso interessant, Brett- und Kartenspiele zu entwickeln – das zeigt auch, wie sehr sich die Dinge in den letzten 20 Jahren weiterentwickelt haben. Die Menschen wollen jetzt eher über ihre Lieblingsspiele reden – ob digital oder analog.“

Gibt es für dich ein Spiel, das du entwickelt hast und worauf du besonders stolz bist?

„Puh, es ist schwierig, da ein spezifisches Spiel zu nennen, denn jedes einzelne, selbst das am wenigsten ambitionierte davon, habe ich entwickelt, um einen bestimmten Spiel- bzw. Designraum zu erkunden, den ich spannend finde und den ich teilen wollte. Aber es ist auch schwierig, hier nicht Magic: The Gathering zu nennen, denn es ist eindeutig das einflussreichste meiner Spiele bisher und es hat mir überhaupt erst erlaubt, mich so mit Spielen zu beschäftigen, wie ich es jetzt tue.“

Apropos Magic: The Gathering, zum Schluss darf natürlich eine Frage dazu nicht fehlen: Wie lange hast du an dem Titel gearbeitet und wie kamst du auf die Idee dafür?

„Ich habe ungefähr zwei Jahre an dem Spiel gearbeitet bevor es erstmals veröffentlicht wurde und danach nochmal einige Jahre, um es zu optimieren. Das Spieldesign entwickelte sich aus vielen anderen meiner älteren Entwicklungen – etwas, das ich häufiger bei meinen Spielen beobachte. Mich inspirierte damals die Idee eines einfachen Spiels, bei dem aber alle Karten die Regeln beeinflussen und bei dem die Spielenden außerdem unterschiedliche Decks und damit unterschiedliche Fähigkeiten haben.“

Richard, vielen herzlichen Dank für deine Antworten!

Wenn ihr The Hunger jetzt selbst ausprobieren wollt, dann fragt gleich im Spieleladen eures Vertrauens nach und haltet außerdem Augen und Ohren offen, denn es wird in den nächsten Wochen und Monaten einige teils exklusive Promokarten geben, z.B. bei ganz besonderen Organized Play Events. Wenn ihr immer die neuesten Updates bekommen wollt, dann besucht uns auch bei Facebook, Twitter und Instagram und abonniert unseren Newsletter.

 

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*Das Interview wurde im Original auf Englisch geführt und für diesen Beitrag ins Deutsche übersetzt.


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