Spieleentwicklung – Das Zwergenreich Nidavellir

Nidavellir war eine unserer Neuheiten zur SPIEL 2020. Eure Heimat, das Zwergenreich Nidavellir, wird durch den Drachen Fafnir bedroht. Während der Drache sich langsam in eure Richtung schwingt, begleitet von Donnergrollen und Flammen – für die Epicness unerlässlich – bereiten sich die Zwerge auf den Kampf vor. Und so werdet ihr als Elvaland, also als Mitglieder des königlichen Rates, losgeschickt auf der Suche nach mutigen Zwergen-Kämpferinnen und -Kämpfern. Doch noch hat der Kampf nicht begonnen und so tummeln sich die Kämpfer:innen in den drei beliebtesten Tavernen des Landes: im Feiernden Goblin, im Lachenden Dachen und im Tänzelnden Pony. Dort angekommen müsst ihr nun die besten Krieger:innen für euch gewinnen, um die schlagkräftigste Streitmacht aufzustellen, die am Ende gegen Fafnir kämpfen soll. So bietet ihr den potentiellen Rekrut:innen bare Münze für ihre Unterstützung an. Doch anfangs ist euer Budget noch begrenzt, daher müsst ihr kluge Handel eingehen, um euer Gold zu mehren und so vielleicht sogar legendäre Held:innen für eure Armee zu gewinnen.

Neben einem ungewöhnlichen Setting hat Nidavellir aber noch viel mehr zu bieten. Und wer könnte euch mehr darüber berichten als der Autor des Kennerspiels, Serge Laget, selbst. Auch wer sich mehr für die graphische Gestaltung interessiert, sollte weiterlesen, denn im Anschluss kommt auch Jean-Marie Minguez zu Wort, der das Kennerspiel illustriert hat. Los geht´s:

Serge Laget

Serge, in Nidavellir rekrutieren wir eine Zwergenarmee. Stand das Thema denn von Anfang an fest?

„Ja, von Anfang an war klar, dass das Spiel im Reich der Zwerge spielen würde. Niemals könnte ich schließlich die vielen glorreichen Jahre des Rollenspiels mit meinem guten alten Zwergenkrieger und seinen 19 Konstitution vergessen, die mich aus jeder noch so misslichen Lage befreit haben, sodass ich es doch noch bis zum nächsten Frühstück überlebt habe. Da muss man eben Prioritäten setzen! :)“

 

Im Kern basiert Nidavellir auf einem Münzaufwertungssystem, bei dem die Spielenden zwei Münzen einsetzen, um eine Münze zu erhalten, deren Wert der Summe der beiden eingesetzten Münzen entspricht. Die höhere der beiden eingesetzten Münzen wird dann abgeworfen. Kannst du uns etwas mehr darüber berichten, auch wie es dazu kam, dass du diesen Mechanismus gewählt hast?

„Anfangs hatte ich eigentlich einen Auktionsmechanismus im Kopf, bei dem sich der Wert der Gebote abhängig vom Einsatzverhalten der Spielenden während des Spiels ändern sollte. Die Idee war es dabei, die Spielenden vor ein Dilemma zu stellen: entweder ihre besten Auktionsmöglichkeiten nutzen, um ihre Chancen auf den Erwerb der besten Karten zu optimieren oder bescheidener setzen, um ihre Chancen bei zukünftigen Auktionen zu erhöhen. Nach einigen Stunden nächtlichen Brainstormings hatte ich die Idee dann zu einem Münzaufwertungssystemweiterentwickelt. Diese Mechanik musste dann natürlich noch durch zahlreiche Spieletests validiert und verfeinert werden. So haben sich zum Beispiel die Werte der Münzen weiterentwickelt. Es gab eine Version, bei der beim Tauschen der niedrigste statt der höchste Wert abgelegt wurde, und eine andere, bei der man die Münzen überhaupt nicht austauschen musste. Das hatte zur Folge, dass wir unzählige Münzen vor uns liegen hatten, was weder mechanisch noch für den Spielfluss wirklich hilfreich war.

Aber alles in allem hat das Münzbausystem die vielen Weiterentwicklungen an dem Spiel überdauert. Das spiegelt auch meine Auffassung von Spieleentwicklung wider, denn inzwischen ist es kaum mehr möglich, ein Spiel zu entwickeln, das nicht irgendwie nach etwas aussieht, das schon existiert. Deswegen ist es für mich unerlässlich, ein einzigartiges Element, ein Wiedererkennungsmerkmal zu haben, das die Basis des ganzen Spiels ist. Eine Art Bietmechanismus ist aber dennoch geblieben, denn in jeder Runde ordnet ja jeder Spielende jeder der drei Tavernen eine Münze zu und wer die höchste Münze gesetzt hat, darf den ersten Zwerg aus der Taverne rekrutieren.“

Spannend! Wie genau funktioniert das Wertungssystem, das du dir überlegt hast. Kannst du uns mehr darüber berichten?

„Also, es gibt fünf Klassen von Zwergen – Schmied:innen, Jäger:innen, Entdecker:innen, Minenarbeiter:innen und Krieger:innen. Jede Klasse hat ihre eigene Art, Punkte zu generieren. Die Krieger:innen und Entdecker:innen haben jeweils Mutwerte, die bei der Wertung als Siegpunkte zählen. Die Minenarbeiter:innen haben auch Mutwerte, die jedoch deutlich niedriger sind. Dafür werden sie mit den Rangabzeichen, also den Fähnchen, aller Minenarbeiter:innen multipliziert. Die Punkte für die Jäger:innen und Schmied:innen hängt dagegen davon ab, wie viele Zwerge dieser Klasse die Spielenden jeweils gesammelt haben. Außerdem gibt es noch die Held:innen, besonders starke Zwerge, die besondere Effekte mitbringen. Gerade mit ihnen lassen sich tolle Wertungskombinationen erreichen. Ein Beispiel: Am Ende des Spiels erhält der Spielende mit den meisten Krieger:innen zusätzlich noch einen Mehrheitenbonus, der dem Wert der höchsten eigenen Münze entspricht. Damit sich dieser Bonus richtig lohnt, sollte man während des gesamten Spiels darauf hinarbeiten. Das bedeutet aber nicht nur, Krieger:innen zu rekrutieren, sondern auch Münzen aufwerten, sodass man am Ende im besten Fall die Münze mit dem Wert 25 – der höchste Wert des Spiels – hat. Die ganze „Arbeit“ dafür lohnt sich jetzt aber noch mehr, wenn man auch die Heldin Astrid rekrutieren konnte, denn für sie erhält man bei der Schlusswertung ebenfalls den Wert der wertvollsten Münze im eigenen Besitz.“

Und wie lange hast du an diesem Wertungsmechanismus gearbeitet?

„Ich sag es mal so, wer ein Spiel mit einem Wertungssystem plant, bei dem auf verschiedensten Wegen Punkte generiert werden, der muss dieses System immer und immer wieder testspielen (lassen). Die größte Angst ist dabei immer, dass es einen Weg gibt, der deutlich effektiver ist, um Punkte zu bekommen, als die anderen. Sobald die Spielenden das erkennen – und das tun sie sicher – ist es vorbei mit dem Spiel. Bei Nidavellir gibt es, was das Wertungssystem angeht, verschiedene Aspekte zu berücksichtigen: Der Wert der Karten selbst, die Häufigkeit der Karten – die Jäger:innen geben schneller mehr Punkte als die Schmied:innen, aber es sind mehr Schmied:innen im Spiel – und die Entscheidungen der anderen Spielenden, denn wenn sich alle auf die gleiche Klasse stürzen, ist es schwieriger, bestimmte Karten zu bekommen. Wenn man dann auch noch ein Augenmerk auf die Aufwertung der Münzen legt, kann es schon manchmal knifflig sein, eine Entscheidung zu treffen! :)

Lass uns nochmal einen genaueren Blick auf die Held:innen werfen. Wie wichtig sind sie für das Spiel?

„Wenn man sich das Spiel zum ersten Mal anschaut bzw. zum ersten Mal spielt könnte man annehmen, dass es die beste Strategie ist, sich auf ein oder zwei Klassen zu fokussieren. Tatsächlich sollte man aber niemals die Held:innen vergessen, die man immer dann rekrutieren darf, wenn man ein Set, also eine Reihe mit fünf Zwerge aus verschiedenen Klassen vervollständigt. Die Heldenkarten sind grundsätzlich einzigartig, außer den Dwerg-Brüdern, denn ihr Wert hängt von der Anzahl der Geschwister im Deck ab. Grundsätzlich sind aber alle Held:innen mächtige Verbündete und man hat eigentlich immer die Qual der Wahl. Aber das macht Nidavellir auch aus – mehrere lukrative Optionen, unter denen man sich schließlich Runde für Runde für eine entscheiden muss.“

Für alle, die Nidavellir noch nicht gespielt haben, kannst du uns einen kurzen Überblick über den Spielverlauf geben?

„Also eine Partie dauert so ca. 45 Minuten. Da grundsätzlich alle Zwerge, die man einmal rekrutiert hat, auch in der eigenen Armee bleiben, ist jede Wahl, die man trifft bedeutsam. Je nachdem, wann welche Zwerge in den Tavernen erscheinen und je nachdem, worauf sich die anderen Spielenden stürzen, ist es ratsam, sich schnell auf eine bestimmte Strategie zu fokussieren. Das kann entweder sein, sich auf eine bestimmte Klasse zu konzentrieren oder aber, im Gegenteil, eine gleichmäßige Verteilung, um schnell eine Heldenkarte zu erhalten. Alternativ dazu kann es auch eine gute Strategie sein, sich darauf zu konzentrieren, die eigenen Münzwerte schnell zu verbessern, um dann für den Rest des Spiels flexibel zu sein. Eine Partie besteht aus zwei Zeitaltern, die dafür sorgt, dass die Karten gleichmäßiger im Spiel auftauchen. Es besteht also kein Risiko, dass z. B. alle Jäger:innen gleich zu Beginn des Spiels ausliegen. Und am Ende des ersten Zeitalters gibt es eine kurze Zwischenwertung oder besser gesagt, der König verleiht Auszeichnungen als Belohnung für die würdigsten Spielenden. :) Entscheidend ist dabei die Anzahl der Rangabzeichen für jede Klasse. Wer die meisten Rangabzeichen gesammelt hat, bekommt eine kleine Belohnung, zum Beispiel eine gratis Münzaufwertung oder extra Zwerge. Es kann daher Sinn ergeben, darauf hinzuspielen, aber auch ohne eine Auszeichnung in dieser Zwischenwertung kann man natürlich noch gewinnen! Es gibt viele verschiedene Wege, um Nidavellir zu gewinnen und vieles hängt von den Mitspielenden ab.“

Vielen Dank, Serge, für dieses spannende Interview und die Einblicke in Nidavellir.

Wenn ihr euch ein genaueres Bild davon machen wollt, wie Nidavellir im Detail funktioniert, dann werft doch mal einen Blick in unser Let´s Play während der CONspiracy. Wenn ihr dagegen erst nochmal mehr über das grundlegende Spielprinzip erfahren wollt, dann empfehlen wir euch unser Teaservideo. Dort erklären wir euch genauer, was euch im Spiel erwartet:

 

Aber jetzt sind wir erst einmal gespannt darauf, was uns Jean-Marie, der Illustrator von Nidavellir, über die graphische Arbeit berichtet:

„Zwei Aspekte sind bei der Arbeit an Nidavellir besonders hervorgestochen: Die Ausgestaltung der Zwerge und natürlich die der Schatzkammer. Fangen wir mit den Zwergen an: Wenn es in einem Fantasy-Setting um Zwerge geht, dann denken wir sofort an Figuren wie Gimli aus Der Herr der Ringe. Das wollten wir ändern, wir wollten weg vom Tolkien-Zwerg-Archetyp. Das stellte mich aber natürlich vor neue Herausforderungen. Ich habe mir dafür die menschliche Anatomie noch einmal ganz von neuem angeschaut und so nach und nach gelernt, in neuen Proportionen zu zeichnen. Das war herausfordernd, aber auch eine tolle neue Erfahrung!

Wie Serge bereits erwähnt hat, ist das Münzbausystem ein zentraler Bestandteil der Spielmechanik. Mir war daher schnell klar, dass das Wühlen und Kramen nach dem richtigen Wert in einem Haufen voller Münzen schnell ermüdend werden würde. Außerdem hätte das auch den Spielfluss maßgeblich unterbrochen und gestört. Es musste also eine andere Lösung her. Daher hat das Team von Grrre Games [Anm. d. R.: Originalverlag von Nidavellir] ein 3D-Auslage entwickelt, das sich ganz einfach aus wenigen Teilen zusammensetzen lässt. Natürlich musste dann noch alles feinjustiert werden, damit die Münzen zum einen stabil stehen, zum anderen aber ihr Wert immer gut einsehbar ist. Designt als Truhe aus stabilem, altem Holz, ist die Schatzkammer schließlich ein Bestandteil des Spiels geworden, der wesentlich dazu beiträgt, die Atmosphäre, die im Königreich Nidavellir herrscht, an den Spieltisch zu transportieren.“

 

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