Designer Diary – Spaceship Unity oder wie eine epische Weltraumoper entsteht

Inhalt

 

Willkommen zurück beim Designer Diary zu Spaceship Unity. Den ersten Teil, Spaceship Unity oder wie aus Indiana Jones ein Raumschiff-Rekrut wurde, findet ihr unter www.pegasus.de/news/pegasus-spiele-blog/designer-diary-spaceship-unity-oder-wie-aus-indiana-jones-ein-raumschiff-rekrut-wurde

 

Die Geschichte muss weitergehen

Das System das wir entwickelt hatten, war perfekt, um eine Geschichte über mehrere Folgen hinweg zu erzählen. Dabei wechselten sich der zeitkritische und der nicht zeitkritische Modus (oder Action- und Challenge-Kapitel, wie wir es dann nannten) ab. So konnten wir das Spiel auf 60 bis 90 Minuten ausdehnen, ohne die Spielenden zu überfordern. Aber was sollte passieren, wenn sie ein Kapitel nicht bestehen? Uns gefiel der Gedanke überhaupt nicht, dass man das Kapitel so lange wiederholen müsste, bis man erfolgreich war. Nicht nur, dass Geschichten so nicht funktionieren, es könnte auch bedeuten, dass sich das Spiel theoretisch ewig hinziehen könnte. Wir konnten den Spielenden auch nicht einfach ein paar Punkte abziehen und sie zum nächsten Kapitel schicken, denn wir hatten ja beschlossen, keine Siegpunkte!, und dabei wollten wir bleiben. Die Optionen, die uns übrigblieben, waren also: Ein gescheitertes Kapitel mit einer Art „deus ex machina“ innerhalb der Geschichte zu beenden oder die Geschichte nach dem Scheitern eines Kapitels auf andere Art weiterlaufen zu lassen.

De-Briefing in Spaceship Unity Prototype
De-Briefing in Spaceship Unity Prototype

Wir haben uns für eine Mischung aus beidem entschieden. Multilineares Storytelling ist natürlich eine coole Sache, aber wenn man es durchdenkt, wird ziemlich offensichtlich, dass es sich in einem Brettspiel nur begrenzt einsetzen lässt. Stellt euch vor, das Spiel soll für die Spielenden 5 Folgen lang sein. Und jede Folge besteht aus mehreren Kapiteln. Nach jedem Kapitel kommt man in ein anderes Kapitel, je nachdem, ob man gewinnt oder verliert. Das würde bedeuten, dass es 16 verschiedene Versionen von Folge 5 mit 32 verschiedenen Endungen geben müsste. Und insgesamt 31 verschiedene Kapitel, die alle geschrieben, getestet und natürlich dargestellt werden müssen. Und das für eine einzige 1-stündige Erfahrung. Das war einfach keine machbare Option. Aber wir könnten die Enden der Kapitel so schreiben, dass sich die Geschichte nicht an jeder Kreuzung aufteilt. Zusammen mit einem „deus ex machina“ hier und da könnten wir den multilinearen Aspekt auf einem überschaubaren Level halten. So würden viele Kapitel zwei oder drei verschiedene Versionen haben, abhängig vom Erfolg der Spielenden, aber nicht 16. Wir haben also so ein 1-stündiges Abenteuer entwickelt und es hat super funktioniert. Die Spielenden haben die Auswirkungen einer schlechten Runde gemerkt, aber die Geschichte ging immer weiter, so dass sie nicht frustriert waren. Nach einigen Tests haben wir ein letztes Kapitel hinzugefügt, in dem man im Grunde eine Leistungsbewertung erhält. Man könnte natürlich sagen, dass es sich dabei schon fast um eine Wertung handelt, aber das Wichtigste ist, dass sie innerhalb der Geschichte stattfindet und nicht auf einer Excel-Tabelle.

 

Ein Spiel wie eine Fernsehserie

Jetzt hatten wir also eine fertige Folge. Und die Tests liefen großartig. Die Leute hatten Spaß und wir konnten viele Stellen optimieren, um das Erlebnis noch zu verbessern. Aber wir wollten eine Weltraumoper (ihr erinnert euch? Sonst schaut doch auch nochmal in Teil 1 des Designer Diarys). Etwas Episches. Also bräuchten wir wahrscheinlich zehn solcher Folgen mit einer fortlaufenden Geschichte wie bei einer großen Fernsehserie. Eine unglaubliche Menge an Arbeit! Daher war uns klar, dass wir die nur dann investieren könnten, wenn sicher wäre, dass das Spiel auch tatsächlich veröffentlicht werden würde. Also haben wir mit dieser ersten Folge im Gepäck angefangen, uns nach Verlagen umzusehen. Natürlich mit dem Vorbehalt, dass wir noch sehr viel Entwicklungsarbeit leisten müssen. Glücklicherweise mussten wir nicht an allzu zu viele Türen klopfen, bis wir Pegasus Spiele für dieses sehr schräge und ungewöhnliche Spiel interessieren konnten. Sie waren bereit, uns eine Chance und die Zeit zu geben, um das Spiel fertigzustellen, jetzt mit dem Wissen, dass es tatsächlich das Licht der Welt erblicken würde.

Developing the story for Spaceship Unity
Developing the story for Spaceship Unity

Also haben wir angefangen, eine komplette Geschichte zu entwickeln. An diesem Punkt wurden wir also quasi zu Drehbuchautoren. Mit der zusätzlichen Herausforderung, das Ganze auch als Spiel interessant zu machen. Denn natürlich konnten wir nicht einfach mechanisch immer wieder dasselbe tun. Zum Glück ermöglicht unser Basissystem alle möglichen unerwarteten Wendungen, nicht nur in der Geschichte, sondern auch in den Mechanismen. Ich werde hier nicht spoilern, aber ich verspreche, dass es nicht langweilig wird. 

 

Die Coronapandemie

Wir waren jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir wussten, was in der Geschichte passieren sollte inklusive ein paar Seiten Zusammenfassung für jede Folge. Und dann kam die Pandemie. Von einem Tag auf den anderen war das Testen praktisch unmöglich. Wegen des speziellen Spielkonzepts funktionierten digitale Simulationen oder andere Lösungen überhaupt nicht. Aber wir haben dann bald festgestellt, dass wir im Vergleich zu vielen Kolleg*innen eigentlich noch Glück hatten. Denn, wir wussten, dass unser Basissystem funktionierte, jetzt hatten wir eine enorme Menge an Schreibarbeit vor uns. Ganz zu schweigen von fast 40 Systemen, die zum damaligen Stand jeweils bis zu vier Minispiele brauchten. Also mehr als genug Arbeit, die ohne direktes Testspielen erledigt werden konnte.

An dieser Stelle darf eine kleine Randbemerkung nicht fehlen: Wie ich oben geschrieben habe, existierte die komplette Geschichte mit den wichtigsten Handlungspunkten schon vor der Pandemie. Was wir danach gemacht haben, war, sie in konkrete Texte zu verwandeln. Ich erwähne das, weil ihr das beim Spielen sonst vermutlich nicht glauben würdet, denn mehr als einmal waren die tatsächlichen Ereignisse erschreckend nah an dem, was wir in unsere Geschichte eingebaut hatten. Ich werde natürlich nichts spoilern, aber ich wollte es unbedingt erwähnen, auch wenn es einigen sicher schwerfallen wird, das zu glauben. 

 

Das Ziel vor Augen

Game Materials in the Spaceship Unity Prototype
Game Materials in the Spaceship Unity Prototype

Schnitt auf Ende des Jahres 2021. In der Zwischenzeit ist eine Menge passiert und das Spiel hatte eine Menge Fortschritte gemacht. Aber das ganze Projekt war doch viel mehr Arbeit, als wir ursprünglich erwartet hatten. Und natürlich gab es immer wieder auch andere Dinge, die uns davon abhielten, uns voll auf dieses Projekt zu konzentrieren. Ich habe Minecraft Builders & Biomes veröffentlicht und Jens und ich zusammen Man muss auch Gönnen können.Und das Leben hatte auch noch ein paar Überraschungen auf Lager. Aber es schien langsam so, als hätten wir ein Spiel. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon beschlossen, die Geschichte in zwei Boxen mit jeweils fünf Folgen aufzuteilen. Ende 2021 traten wir dann in die letzte Phase der Veröffentlichung der ersten Box ein, oder Season 1.1, wie wir sie schließlich nannten. Es folgten drei weitere extrem intensive Monate mit jeder Menge Arbeit für alle Beteiligten. Aber wir haben es geschafft! Und bald werden wir endlich sehen können, wie die Menschen, also ihr euch auf diese aufregende Reise mit dem Raumschiff Unity begebt! Wir hoffen wirklich sehr, dass sie für euch genauso aufregend sein wird, wie es unsere Reise war, dieses ganz besondere Spiel zu entwickeln. 

Oh, und in der Zwischenzeit arbeiten wir hart an Staffel 1.2 mit den Folgen 6 bis 10. Wenn nichts schief geht, könnt ihr die Reise schon im Jahr 2023 fortsetzen.

Ulrich Blum

 

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