Hinter den Kulissen – Interview mit Klaus Ottmaier, Leiter der Redaktion Spiel

Auf dem Pegasus Spiele-Blog möchten wir nicht nur über alles rund um unsere Spiele, Events und Aktionen berichten, sondern es sollen auch die Gesichter, die Personen hinter Pegasus Spiele im Vordergrund stehen. Nachdem wir euch inzwischen bereits unsere Partner Edition Spielwiese, Portal Games und Frosted Games vorgestellt und Interviews mit unseren Redakteuren Martin und Sebastian geführt haben, wird es Zeit, euch Klaus, den Leiter der Redaktion Spiel, vorzustellen:

Klaus, vielen Dank, dass du uns etwas mehr über deine Person und deine Arbeit berichten möchtest. Fangen wir einfach an: Wie kamst du überhaupt zu Pegasus Spiele und wie lange bist du schon dabei?

„Ich weiß nicht, ob ich es einfach nennen würde, denn die Geschichte ist alles andere als gradlinig, aber das ist die Karriere eines Spieleredakteurs fast nie. Ich bin seit dem 1. April 2012 bei Pegasus Spiele tätig. Kommendes Jahr werden es also schon neun Jahre. Um zu erzählen wie es dazu kam, muss ich etwas weiter ausholen: Nach meiner Matura, so nennt sich das Abitur in Österreich, studierte ich Biologie. Doch wie viele meiner Kollegen hier bei Pegasus Spiele stellte auch ich nach meinem Diplomabschluss fest, dass die reine Laborarbeit und die Wanderschaft von Labor zu Labor weltweit nicht meinen Vorstellungen und meiner Familienplanung entsprachen. Daher habe ich mich dazu entschlossen, noch eine Buchhändlerausbildung dranzuhängen.“

Das führte dich aber auch noch nicht viel näher an den Beruf „Spieleredakteur“ heran, oder? Wie ging es weiter?

„Nach der Geburt meiner Söhne ging ich in Elternzeit und blieb anschließend zuhause. Parallel begann ich zu dieser Zeit im Spielbrett, einem Spieleladen in Köln, auszuhelfen. Schon als Kind spielte ich unheimlich gerne und auch als Erwachsener war die Leidenschaft für Brett- und Kartenspiele noch immer da. Und so wurden aus einem Samstag im Monat, an dem ich im Spielbrett den Spielenachmittag leitete, schnell zwei Nachmittage pro Woche und noch mehr während der Weihnachtszeit. Der entscheidende Schritt in Richtung Spieleredakteur ergab sich dann schließlich aus dieser Tätigkeit, denn irgendwann bat der Kleinstverlag Argentum Verlag, der ebenfalls in Köln ansässig war, das Spielbrett um Unterstützung beim Vertrieb. Durch diesen Kontakt ergab sich Anfang 2009 schließlich ein Abend im Spielbrett, an dem wir Prototypen testeten. Als sich niemand der Anwesenden danach weiter mit den Prototypen beschäftigen wollte, erklärte ich mich dazu bereit. Und das hat verdammt viel Spaß gemacht – plötzlich hatte ich eine Aufgabe, eine Tätigkeit, die sich unglaublich gut anfühlte. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich auch gar nicht, wonach ich eigentlich „gesucht“ hatte. Nach einem Job als Spieleredakteur jedenfalls sicherlich nicht, denn dieses Berufsbild hatte ich bis dato gar nicht so richtig auf dem Schirm, da es dafür keine Ausbildung und keinen Studiengang gibt. In Deutschland gibt es insgesamt nur eine sehr niedrige dreistellige Zahl an Glücklichen, die dieser Berufung nachgehen dürfen.“

Welche Spiele hast du dann im Argentum Verlag betreut und wie kamst du schließlich zu Pegasus Spiele?

„Das erste Spiel, das ich 2009 bei Argentum realisierte, und damit mein erstes Spiel überhaupt, war Hansa Teutonica. Besonders spannend daran ist, dass nun im Herbst 2020 die Hansa Teutonica Big Box bei Pegasus Spiele erscheint. Das war und ist natürlich ein ganz besonderes Projekt für mich und die Arbeit daran hat mich zurück zu meinen Anfängen gebracht. Nach Hansa Teutonica konnte ich dem Argentum Verlag dann die weltweiten Rechte für das Martin Wallace Spiel Last Train to Wensleydalesichern. Für die überarbeitete deutsche Ausgabe fügte ich einen zweiten Spielplan hinzu und eine Variante für zwei Personen. Von meiner Tätigkeit her war ich nun also Spieleredakteur – auch wenn man bei einem Kleinstverlag alles ein wenig übernimmt, also auch den Vertrieb, das Marketing und den Auftritt auf Messen.

Da die Arbeit bei einem Kleinstverlag allerdings mehr eine Herzenssache und weniger ein Broterwerb ist, ich letzteres aber Ende 2011 dringend für meine Söhne und mich benötigte, trat nun ein, was man glaube ich „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ nennt: Pegasus suchte einen weiteren Redakteur und ich war einer, bei dem sie anfragten. Das kam für mich genau zum richtigen Zeitpunkt. Zusätzlich war ich ortsungebunden und als die Wahl dann auf mich fiel, ergriff ich meine Chance und zog mit meinen Söhnen nach Friedberg. Naja, genauer gesagt ins benachbarte Bad Nauheim ;) … Nunja, und so wurde ich im April 2012 Teil des Pegasus Spiele-Teams.“

Wow, eine spannende Geschichte! Du hattest darin bereits die Hansa Teutonica Big Box erwähnt, die im Herbst bei uns erscheint. Ist das auch der Titel, an dem du gerade arbeitest oder welche Projekte hast du gerade auf dem Tisch?

„Die Arbeit an der Hansa Teutonica Big Box ist abgeschlossen. Aktuell arbeite ich an Die Zwerge Big Box. Die Zwerge war übrigens das erste Spiel, das ich für Pegasus Spiele als Redakteur umgesetzt habe. Durch diese beiden für mich ganz besonderen Projekte hatte das letzte Jahr etwas durchaus Nostalgisches. Besonders da die beiden Titel vermutlich auch die vorerst letzten von mir betreuten Spiele sein werden, denn danach plane ich – zumindest aktuell – keine Projekte mehr umzusetzen. Als Leiter der Redaktion Spiel beschäftige ich mich inzwischen mit so vielen unterschiedlichen Aufgaben, dass ich für einzelne Projekte keine Zeit mehr finde.“

Du hast uns jetzt schon viel über dich, deinen Werdegang und deine Projekte erzählt. Aber sag mal, was machst du morgens als Erstes, wenn du ins Büro kommst?

„Ich glaube die Standardantwort wäre jetzt „einen Kaffee holen“ :D. Aber ich trinke keinen, also hole ich mir höchstens eine Flasche Wasser. Inzwischen habe ich mir angewöhnt, am Vorabend die To-Do´s für den kommenden Tag zu notieren. Das heißt, ich prüfe zuallererst, ob neue Punkte zum Erledigen dazugekommen sind. Dann starte ich damit, möglichst viel abzuarbeiten. Aber erfahrungsgemäß gesellen sich im Laufe des Tages weitere, neue Aufgaben dazu.“

Keinen Kaffee? Nicht mal einen Latte Macchiato? Na gut! ;) Neben hausinternen Eigenentwicklungen setzt ihr auch sehr viele Lokalisierungen um. Kannst du uns mehr zu den Unterschieden zwischen diesen Projekten erzählen?

„Also es bestehen ganz klare Unterschiede zwischen der Entwicklung und der Bearbeitung eines Prototypen, für den wir die weltweiten Rechte besitzen, und der Lokalisierung eines Spiels eines ausländischen Lizenzgebers. Für die Umsetzung eines Prototypen bis zu einem fertigen Spiel muss viel mehr berücksichtigt und getan werden, denn hier sind wir für alles verantwortlich: vom finalen Spieldesign über die Illustrationen, das Spielmaterial bis hin zur Produktion. Bei einer Lokalisierung liegt in der Regel bereits ein fertiges Spiel vor. Hier liegt die größte Herausforderung darin, eine für den deutschen Markt geeignete Anleitung zu verfassen und gegebenenfalls Kleinigkeiten am Spiel selbst anzupassen. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel – siehe Kitchen Rush, für das wir sehr viele Überarbeitungen vorgenommen haben. [Seht dazu auch unser Interview mit Redakteur Sebastian zur Arbeit an der deutschen Ausgabe von Kitchen Rush.] Und auch wenn die Arbeit an Eigenentwicklungen für unsere Grafikabteilung nochmal größer ist, ist auch für Lokalisierungen eine Anpassung aller Sprachkomponenten unerlässlich. Aber vielleicht kann euch Martin, der sich bei Pegasus hauptsächlich um Lokalisierungen kümmert, bald mal etwas mehr über die Arbeit an Lokalisierungen erzählen.“

Was denkst du, was sind die größten Chancen aber auch Herausforderungen an der Arbeit bei Pegasus Spiele?

„Ganz klar die große Anzahl an verschiedensten Projekten. Alle Spiele und Bücher von uns und unseren Partnern zusammengerechnet ergeben deutlich über 100 Projekte pro Jahr! Daher ist es auch jedes Jahr eine neue große Herausforderung, Veröffentlichungstermine einzuhalten. Denn wir wollen zugleich flexibel bleiben, um ein sehr interessantes Spiel auch noch kurzfristig in die Veröffentlichungsplanung aufzunehmen, damit deutschsprachige Spieler nicht zu lange auf die deutsche Version eines internationalen Highlights warten müssen. Besonders anspruchsvoll ist das bei Spielen, die große Geschichten erzählen, denn Projekte mit 100.000 und deutlich mehr Wörtern sind nicht mehr die Seltenheit. Für solche Projekte muss entsprechend viel mehr Zeit eingeplant werden.“

Ok, Hand aufs Herz, auf welche Projekte bist du besonders stolz?

„Das sind ganz klar Mmm! und Kingdomino. Mmm! war das erste Kinderspiel überhaupt von Pegasus Spiele und ich war für die Realisation verantwortlich. Dass Mmm! dann auch gleich mit dem österreichischen Spiel der Spiele-Preis ausgezeichnet wurde und sogar zum Kinderspiel des Jahres nominiert wurde war einfach großartig! Und dann natürlich Kingdomino, das 2017 Spiel des Jahres wurde. Ein Spiel, an das ich von Anfang an geglaubt habe – und es immer noch tue! In meinen Augen erfüllt es einfach jede Anforderung für eine Spiel des Jahres-Auszeichnung. Andererseits bin ich auch auf Spiele stolz, die keine Auszeichnung bekommen haben, dafür aber seit vielen Jahren im Programm von Pegasus Spiele sind: z. B. Fungi, Port Royal, Imperial Settlers  ...“

Bei so vielen erfolgreichen Projekten – was macht dir an deinem Beruf eigentlich am meisten Spaß?

„Das ist einfach: Die Vielfalt. Vom Spiele Testen über die Entwicklung und Gestaltung eines Spiels inklusive des Erarbeitens des zu verwendenden Materials mit dem Hersteller bis zum Verfassen von Anleitungen und anderen Texten und dann noch die Messen und Wettbewerbe – der Aufgabenbereich eines Spieleredakteurs ist sehr vielseitig und abwechslungsreich, was ich als sehr erfüllend empfinde.“

Last but not least – hast du ein Lieblingsspiel?

„Hm, ein einzig wahres Lieblingsspiel habe ich nicht, eher Verlage, deren Spiele ich bevorzuge. Aber es gibt ein Spiel, das das Wiederaufleben meiner Spielebegeisterung begründete, sozusagen den Grundstein dafür legte, was ich heute tue: Puerto Rico. In den Sommerferien haben wir außerdem ein anderes älteres Schätzchen wiederentdeckt und mehrmals gespielt: Village. Bis heute spielerisch großartig. Und was es besonders macht: Kaum einem anderen Eurogame gelingt es dermaßen stark, thematisch zu sein.“

Vielen Dank, Klaus, für die ausführlichen Antworten!

 

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